Änderung der Praxisgebühr stößt auf breite Ablehnung

Berlin. Die 2004 eingeführte Praxisgebühr von 10 Euro pro Quartal findet bei den Ver­sicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) recht hohe Akzeptanz. Änderungsvorschläge wie die Erhebung einer Praxisgebühr bei jedem Arztbesuch oder eine prozentuale Beteiligung der Patienten an den ärztlichen Behandlungskosten stoßen jedoch auf einhellige Ablehnung. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Reprä­sentativ-Umfrage des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) unter mehr als 2.500 GKV-Versicherten.

Das WIdO hatte die Versicherten im Mai und Juni 2010 gefragt, ob die Praxisgebühr bei ent­sprechend erhöhten Krankenkassenbeiträgen wieder abgeschafft oder ob sie beibehalten werden sollte. Gut zwei Drittel der Befragten (68,4 Prozent) sprach sich für die Beibehaltung aus, während ein gutes Viertel (26,5 Prozent) für eine Abschaffung der Praxisgebühr bei höheren Kassenbeiträgen plädierte. Dieses Meinungsbild findet sich weithin stabil über alle Alters- und Einkommensgruppen hinweg.

Änderungen der Praxisgebühr, wie sie teilweise aktuell gefordert und diskutiert werden, erteilen die Versicherten eine klare Absage. Nur 9 Prozent befürworten eine Praxisgebühr bei jedem Arztbesuch. Und lediglich 5,9 Prozent der Versicherten sprechen sich dafür aus, die Patienten prozentual an den Arztkosten zu beteiligten. Die übergroße Mehrheit der Befragten (82,4 Prozent) will dagegen an der derzeitigen Zahlungsweise festhalten, wonach die Praxisgebühr ein Mal pro Quartal gezahlt wird.

„Die Ablehnung von Veränderungen der derzeitigen Praxisgebühr ist an Deutlichkeit kaum zu übertreffen“, kommentiert Dr. Klaus Jacobs, Geschäftsführer des WIdO, die Ergebnisse der Versichertenbefragung. „Die Politik sollte im Hinblick auf einen möglichen Ausbau dieses Instruments äußerst vorsichtig sein. Sonst könnte dessen mittlerweile recht hohe Akzeptanz schnell in eine generelle Missbilligung umschlagen, wenn bei den Patienten der Eindruck vorherrscht, durch eine höhere Praxisgebühr lediglich zusätzlich abkassiert zu werden.“

WIdO-Chef Jacobs: Ausbau der vertragsbasierten Versorgungssteuerung im Wettbewerb statt mehr Selbstbeteiligung der Patienten

Jacobs warnt vor allem vor falschen Erwartungen in Bezug auf die Steuerungswirkungen der Praxisgebühr: „Wer glaubt, dass bei der Steuerung der Inanspruchnahme von Gesundheits­leistungen in erster Linie bei den Patienten angesetzt werden muss, liegt falsch. Warum ver­langt denn gerade die private Krankenversicherung (PKV) händeringend nach direkten Ver­tragsbeziehungen zu den Leistungserbringern? Doch nur, weil die PKV die grundsätzlich begrenzte Wirkung individueller Steuerungsinstrumente wie Selbstbeteiligungen der Patien­ten aus eigener Erfahrung kennt.“

„Anstatt individuelle Steuerungsinstrumente wie die Praxisgebühr in der GKV weiter auszu­bauen, sollte sich die Politik vor allem bemühen, die Rahmenbedingungen für vertrags­basierte Versorgungskonzepte wie Disease-Management-Programme, Hausarztversorgung oder Integrierte Versorgung auf wettbewerblicher Grundlage zu verbessern.“ Nur so könne laut Jacobs gewährleistet werden, dass keine unnötigen Leistungen erbracht und in An­spruch genommen würden, dass aber umgekehrt auch keine Inanspruchnahme von notwen­digen Leistungen unterbliebe, was zu hohen Folgekosten führen könne.

Wer etwa fordere, dass die in Disease-Management-Programme (DMP) eingeschriebenen chronisch Kranken künftig nicht mehr von der Praxisgebühr befreit werden können, erwiese der Chronikerversorgung einen Bärendienst. Durch einen solchen Schritt – sowie durch Ab­schaffung der Finanzierung von DMP-Programmkostenpauschalen aus dem Gesundheits­fonds – würde nicht nur die Qualität der Chronikerversorgung gefährdet. Schon auf mittlere Sicht würden auch die Ausgaben für chronisch Kranke als Resultat einer schlechteren Ver­sorgung deutlich steigen. Daran könne kein verantwortlich handelnder Politiker interessiert sein.

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