Berlin. Krankheitsbedingte Fehlzeiten haben 2008 erneut zugenommen: Die 9,7 Millionen AOK-versicherten Arbeitnehmer waren im letzten Jahr durchschnittlich jeweils 17 Tage krankgeschrieben. Im Jahr zuvor waren es noch 16,3 Tage. Für die Zunahme der Fehlzeiten sind neben einem Anstieg von Krankheiten des Atmungssystems die seit Jahren steigenden Fälle psychischer Erkrankungen verantwortlich. Diese verursachen zugleich die längsten Ausfallzeiten. Fehlt ein Arbeitnehmer aufgrund einer Atemwegserkrankung durchschnittlich 6,4 Tage, sind es bei einer psychischen Erkrankung 22,5 Tage. Die Erkrankung stellt sowohl für Betroffene als auch für das Unternehmen eine große Belastung dar. Der Fehlzeiten-Report 2009 zeigt, wie Unternehmen die Gesundheitsressourcen der Mitarbeiter stärken und Belastungen am Arbeitsplatz reduzieren können.
„Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. So stieg die Zahl der von ihnen verursachten Arbeitsunfähigkeitsfälle seit 1995 um 80 Prozent“, sagt Helmut Schröder, Mitherausgeber des Fehlzeiten-Reports 2009 und stellvertretender Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK.
Bei Frauen nehmen Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen mit 11,1 Prozent bereits den dritten Rang ein (Männer: 6,3 Prozent). Sie leiden am häufigsten unter depressiven Erkrankungen, Männer haben verstärkt Probleme mit Alkohol oder Tabak. Mit steigendem Alter nimmt die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Erkrankungen zu. Der Blick auf einzelne Branchen offenbart erhebliche Unterschiede in der Betroffenheit: In der öffentlichen Verwaltung sowie im Dienstleistungsbereich entfallen jeweils 11,2 Arbeitsunfähigkeitsfälle (AU-Fälle) je 100 AOK-Mitglieder auf psychische Erkrankungen. Bei Banken und Versicherungen sind es 10,6 AU-Fälle, im Baugewerbe nur 5,2.
Gründe für diese Zunahme der Arbeitsunfähigkeiten wegen psychischen Erkrankungen sind auch in der rasanten Entwicklung der Arbeitswelt zu suchen, die veränderte Anforderungen an Mitarbeiter und Betriebe stellt. Bisherige Belastungen wie Nacht- und Schichtarbeit sind geblieben, neue wie berufliche Mobilität oder erhöhter Termin- und Leistungsdruck sind hinzugekommen. Es ist zu vermuten, dass die momentane wirtschaftliche Situation die Anforderungen noch erhöhen wird.
Eine im Fehlzeiten-Report 2009 vorgestellte Studie unter knapp 2.000 Arbeitnehmern zeigt, dass Arbeitsplatzunsicherheit häufig mit einem höheren Arzneimittelverbrauch, vermehrtem Alkoholkonsum, aber auch mit weniger sozialen Kontakten verbunden ist. Auch sind mehr als 70 Prozent von befragten gesetzlich krankenversicherten Beschäftigten im letzten Jahr krank zur Arbeit gegangen oder haben zur Genesung das Wochenende abgewartet. Immerhin knapp 30 Prozent sind gegen den Rat des Arztes weiterhin zur Arbeit gegangen. Als Grund für die unterlassene Krankmeldung wird bei knapp 30 Prozent der Befragten angegeben, dass die Arbeit liegen bleibt und knapp 20 Prozent haben Angst davor deswegen ihren Arbeitsplatz zu verlieren.
„Vor dem Hintergrund auch dieser neuen Ergebnisse ist es wichtig, nicht nur die Belastungen im beruflichen Umfeld zu reduzieren, sondern auch die Ressourcen und den Umgang mit Stress bei jedem einzelnen zu stärken“, so Helmut Schröder. Gesetzliche Krankenkassen haben hierzu zahlreiche Angebote im betrieblichen Kontext und erreichen damit jährlich mehr als 500.000 Beschäftigte. Der Fehlzeiten-Report 2009, der vom WIdO und der Universität Bielefeld herausgegeben wird, präsentiert ausgewählte Projekte wie ein Konzept zur Förderung des Stress- und Ressourcenmanagements.
Insbesondere bei Führungskräften spielt dies eine bedeutende Rolle: Sie sind selbst oftmals großen Belastungen und Beanspruchungen ausgesetzt und tragen gleichzeitig aber auch die Verantwortung für die Gesunderhaltung ihre Mitarbeiter. Wie dies mit spezifischen Angeboten, beispielsweise „Fit zum Führen“, gemeistert werden kann, wird im aktuell erschienenen Fehlzeiten-Report 2009 beschrieben.
Badura/Schröder/Klose/Macco (Hrsg.): Fehlzeiten-Report 2009, Schwerpunktthema: Arbeit und Psyche: Belastungen reduzieren – Wohlbefinden fördern; Berlin 2010; 466 Seiten; broschiert, 44,95 €; ISBN 978-3-540-01077-4.