Der neue Arzneiverordnungs-Report 2003 zeigt nach Ansicht des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) überzeugend, dass neue Arzneimittel nicht immer wirklich innovativ sind: weder aus pharmakologischer noch aus medizinisch-therapeutischer Sicht. Einsparungen in einer Größenordnung von knapp 1,5 Milliarden Euro sind bei einem Gesamtumsatz von 22,7 Milliarden Euro realisierbar, wenn anstatt dieser Analogpräparate pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Wirkstoffe verordnet werden. Die Ausführungen im Arzneiverordnungs-Report 2003 geben Hinweise, welches Analogarzneimittel durch eine entsprechende Leitsubstanz ausgetauscht werden kann. Dabei wird nicht nur eine höhere Sicherheit beim Patienten erreicht, sondern kann auch noch deutlich gespart werden, so Helmut Schröder, Wissenschaftler im WIdO, im Arzneiverordnungs-Report 2003.
Hauptursache für die steigenden Arzneimittelumsätze ist wie in den vergangenen Jahren die verstärkte Verordnung teurerer Medikamente. Kostete eine Arzneimittelpackung im Jahr 1992 durchschnittlich 16,12 €, liegen die mittleren Kosten zehn Jahre später mit 29,80 Euro fast doppelt so hoch. Der Grund für diese Verteuerung liegt im steten Umbau der Arzneimittelversorgung, mit einem Trend zu neuen patentgeschützten Medikamenten und einer Abkehr von altbewährten Präparaten, die in der Regel deutlich preiswerter und als Generika verfügbar sind. Dabei proftieren die Hersteller von dem Glauben der Ärzte und Patienten, neue und teure Wirkstoffe seien meist auch "innovativ" und brächten einen Fortschritt für die Therapie. Fast 38 Prozent des Arzneimittelumsatzes entfielen im Jahr 2002 auf patentgeschützte Medikamente, zehn Jahre zuvor hatte dieser Anteil noch deutlich unter zehn0 Prozent gelegen. Dabei weiß man nicht erst seit dem Vormarsch der evidenzbasierten Medizin, dass nicht alles was neu auch automatisch besser ist.
Bereits seit 1986 untersucht der Arzneiverordnungs-Report die neuen Wirkstoffe eines Jahres nach ihrer therapeutischen Bedeutung. Dabei wird zwischen tatsächlich neuartigen Wirkstoffen mit einem neuen Wirkprinzip, Wirkstoffen mit einer Verbesserung bekannter Wirkprinzipien für die Anwendung in der Therapie, und Analogpräparaten mit marginalen Unterschieden zu bereits eingeführten Wirkstoffen unterschieden. Analogpräparate ohne Zusatznutzen haben 2002 bereits einen Umsatz von 4,4 Milliarden Euro erreicht, wobei nur das patentgeschützte Segment betrachtet wurde: Damit wird fast jeder fünfte Euro für ein patentgeschütztes Analogpräparat ausgegeben, obwohl eine Vielzahl dieser Substanzen durch preiswerte Generika vergleichbarer, bereits patentfreier Wirkstoffe ersetzbar wären. Somit kann angesichts der erheblichen Einsparpotenziale von einer deutlichen ökonomische Fehlversorgung gesprochen werden, so Helmut Schröder.
Diese und weitere Ergebnisse - die auf der Analyse aller 888 Millionen Arzneimittelverordnungen des Jahre 2002 basieren - finden sich auf mehr als 1.000 Seiten im Arzneiverordnungs-Report 2003.
Ulrich Schwabe und Dieter Paffrath (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2003. Aktuelle Daten, Kosten, Trends und Kommentare. Springer-Verlag Berlin, Heidelberg. 2004. Ladenpreis 29,95 €; ISBN 3-540-40188-1